Matrix-Kultur

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Die Matrix-Kultur oder vielmehr die Matrix als Medium, das künstlerisches Wirken erlaubt und ganz eigene kulturelle Strömungen hervorbringt, kennt eine ganze Reihe an Besonderheiten, die außerhalb der Freiheiten der Erweiterten und Virtuellen Realität undenkbar wären.

Communities

Die Matrix an sich ist stetig im Fluss und Tag für Tag Treffpunkt von Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Metamenschen. Natürlich kommt es dabei auch zum Austausch, sei es Hardcore-Pornographie, Treffen intellektueller Zirkel oder Spieler, die sich bei der neuesten Interation von Neil, der Orkbarbar gegenseitig die Schädel im virtuellen Raum spalten. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum die Matrix die wohl am schnellsten wachsende Gesellschaft der Welt ist und für viele Bewohner der Sprawls auf der ganzen Welt tatsächlich die einzig wahre Gesellschaft bildet.[1]

Soziale Netzwerke

Hauptartikel: Soziales Netzwerk

Soziale Netzwerke sind undenkbar mit der Matrix verbunden. Tagein Tagaus treffen sich hier unzählige Personen, um in verschiedensten sozialen Netzwerken zum Teil über sehr spezifische Themen zu diskutieren und sich auszutauschen. Ob nun um mit neuen Leuten zu flirten, mit den neuesten Statistiken in einem Matrixspiel zu prahlen oder um ihre Erfahrungsberichte zu teilen.[1]

Matrix-Gangs

Hauptartikel: Matrix-Gang

Allerdings lockt die Matrix auch allerhand Personen an, die nichts gutes im Schilde führen. Matrix-Gangs terrorisieren gerne unbedarfte Nutzer. Auch wenn die meisten von ihnen nicht allzu bedrohlich sind und sich bereits mit ein bisschen Gegenwehr abschrecken lassen, finden sich dazwischen aber auch ausgeprägte Kriminelle, die vor nichts zurückschrecken. Und schließlich gibt es auch große Syndikate, wie der Choson-Ring, die ebenfalls in der Matrix aktiv sind.[2]

Matrix-Stämme

Auf der anderen Seite der Waage finden sich die sogenannten "Matrixstämme", Gruppierungen, die von Hacker, Technomancern und Möchtegern-Scriptkiddies gegründet wurden, um Schutz, Freundschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl zu erhalten. Matrixstämme können einfach strukturiert sein und auf Religion, Volkszugehörigkeit oder Metatyp basieren. Einige sind auch einfach in einem gemeinsamen Ziel vereint, wie etwa der Family Play Tribe in Seattle, die sich zusammengefunden haben, um virtuelle Spieltermine für ihren Nachwuchs zu finden. Andere wiederum, wie die Ravens aus dem Pueblo Corporate Council, sind Technomancer-Stämme, die sich durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten zusammengeschlossen haben. Solche Stämme entwickeln innerhalb von Jahren, manchmal sogar nur Monaten, eigene Bräuche, eigene Ikonographien und auch eigene Sprachen. Die meisten von ihnen betreiben zudem mindestens einen Matrixknoten, der nur den Mitgliedern zugänglich ist.[3]

Reputation

In vielen Online-Communities und -Märkten finden sich Reputationssysteme, die nicht erst seit Einführung von Horizons P2.0 neu sind. Schon seit den Anfängen des früheren Internets gab es Bewertungssysteme. Anfangs waren die vor allem noch bei Online-Marktplätzen zu finden, sodass Käufer Verkäufer bewerten konnten, um ehrliche Handelspraktiken zu belohnen. Andere Netzwerke ermöglichten es den Usern, andere User zu empfehlen oder aber so den Rest der Community vor ihnen zu warnen. In der Sechsten Welt haben sogar Schattennetzwerke wie der Jackpoint ein Rep-Punktesystem eingeführt, sodass man sehen kann, wessen Aussagen von Wert sind oder von welchen Usern man sich lieber fernhält.[3]

Auch in den 2070er verwendeten die Online-Märkte nach wie vor irgendein Reputationssystem. Legale Märkte wei etwa The Bazaar bieten die Möglichkeit, Käufer und Verkäufer in Verbindung zu bringen, Transaktionen über SINs zu verfolgen und registrierten Benutzern erlauben, die Reputation anderer registrierter Nutzer einzusehen. Somit kann man vor dem Abschluss eines Geschäftes sehen, mit wem man lieber keinen Handel abschließt.[3]

Etwas globaler geht es in der Community I-Sez zu, einer globalen Gemeinschaft für legale Bürger, die eine globale Online-Bewertung auf Basis individueller Bewertungen sowie Bewertungen aller öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerke erstellt, bei denen man angemeldet ist. Ziel dahinter ist es, "eine offene Gesellschaft zu erschaffen, die ethisches Verhalten, Freundlichkeit und metamenschliche Kontakte belohnt." Dies erlaubt auch eine Einsicht in die Werte durch andere Benutzer, was wiederum von Eltern genutzt wird, die sehen wollen, mit wem ihre Kinder Umgang haben und Arbeitgeber wiederum finden so etwas über ihre potentiellen neuen (oder aktuellen) Mitarbeiter heraus, während Schulen sich wiederum über ihre Bewerber informieren.[3]

Medien

Die unaufhörliche Nachfrage nach Newsfeeds, SimSinns aller Art und ständig verfügbaren globalen Informationen bedienten die Konzerne, die in der Medien- und Unterhaltungsbranche aktiv sind, nur allzu gerne.[3]

Nachrichten

In kostenpflichtigen Newsfeeds kann man werbefreie Nachrichten ansehen, während man bei den "freien" Anbietern meistens so mit Werbespams zugemüllt wird, dass einem schwindlig wird. Das Angebot reicht dabei von sensationsgeilen Anstalten wie Ares' Truman Distribution Network oder Horizons Hisato-Turner bis zu seriöseren Angeboten.[3]

Citizen Journalists

Wer es unvoreingenommener möchte, der kann sich mit der neueren Expression namens "Citizen Journalists" oder privaten News-Blogs beschäftigen. Diese Underground-Nachrichtensender besitzen eine lange Tradition und setzen auf einfach zu benutzende Aufnahmemöglichkeiten, die sich in jedem Kommlink finden und auf die Verbreitungsmöglichkeiten eines Netzwerk basieren. So ermöglicht es diese Form des Journalismus eine Vielfalt individueller Perspektiven, die dann in populären Netzwerken wie Connections! verbreitet werden, wo Metamenschen ihre Lebensgeschichten, komplett mit Videos, Texten und Kommentarmöglichkeiten, mit der Welt teilen.[4]

Besonders stark vertreten sind die "Citizen Journalists" (kurz "CJs") in Evos MetaMatrix, wo aktuelle Themen aus einer metamenschlichen Perspektive betrachtet wird, die oft in den Mainstream-Medien ignoriert wird. Zahlreiche Netzwerke haben eine globale Anhängerschaft und verbinden solche "Citizen Journalists" mit registrierten Benutzern auf der gesamten Welt. Da es recht einfach ist, ein CJ zu werden, da man nur ein Kommlink benötigt, muss man am Ende nur noch Audio und Video aufzeichnen und kann direkt loslegen.[5]

Zudem finden sich in den Blogs umfassende Informationen über Ziele oder Schwächen eines Konzerns, die dieser lieber unter Verschluss hält. Die meisten Kons mögen eine strikte Politik besitzen, was das Ausplappern neuer Projekte oder gewissen Vorlieben einiger Manager anbelangt, aber das hindert die Blogger nicht daran, weiterzumachen. Dennoch setzen sie auch Suchagenten und Konzernhacker ein, die ständig auf der Suche nach wirklich verfänglichen Informationen sind.[5]

Piratensender

Wer nicht auf Mainsteam-Medien oder Citizen Journalists setzen will oder weiter Perspektiven sucht, der kann auch die Piratensender abklappern, deren Journalisten vor nichts zurückschrecken und oftmals Shadowrunner anheuern, um Infos für eine Story zu erhalten. Diese Journalisten machen ihrer Zunft noch alle Ehre und suchen nach echten, informativen und pikanten Details ohne die Sensationsgier und sonstige Gerüchteküchen. Beispiele hierfür ist unter anderem KSAF aus Seattle.[5]

Matrixspiele

Hauptartikel: Matrixspiel

Ein weiterer gewaltiger Teil der Online-Haltung in der Matrix sind virtuelle Spiele. Die meisten Online-Spiele waren in der Vergangenheit eher das Metier kontaktarmer Jugendlicher, die sich im Keller der Eltern einschlossen, aber mit der Einführung der Erweiterten Realität avancierte das virtuelle Spielen zu einer Beschäftigung für Jedermann.[5]

SimSinn

Hauptartikel: SimSinn

SimSinn bietet die Möglichkeit, ganz in die Virtuelle Realität abzutauchen, wo billige Kommlinks nur bis in die Erweiterte Realität reichen. Die Technologie ermöglicht es aber auch, spezielle Aufzeichnungen anzusehen, die zur heutigen Filmindustrie gehören oder gar die illegalen BTLs zu konsumieren, die einem das Hirn förmlich rösten können, während es von intensiven Signalen überflutet wird.[6]

AR-/VR-Clubs

SimSinn an sich ist schon eine großartige Technologie, die aber auch ermöglicht, Dinge zu empfinden, die gar nicht vorhanden sind. Wer schon mal in einem virtuellen Steakhaus ein virtuelles Steak genossen hat, kann bestätigen, dass man den Geschmack erhält, ohne die Kalorien zählen zu müssen, wenngleich auch der Magen leer bleibt. Doch diese Empfindungen enden nicht hier, sondern werden ganz bewusst auch anderweitig genutzt.[6]

Die Nachtclub-Szene erkannte die Möglichkeiten und wurde von der AR praktisch übernommen. Viele der heißesten Clubs bieten verschiedene DJ-Playlists, die direkt in das Kommlink ihrer besucher einspielen, sodass jeder Gast oder auch ganze Gruppen von Gästen ihre eigene Musik hören und danach tanzen können. Sogar bei Live-Auftritten wird die Vorstellung durch die AR weiter gestärkt, etwa mittels Multi-Level-Sim-Feedback, auf das man mit dem eigenen Kommlink zugreifen kann.[6]

Auch gibt es eine Vielzahl von VR-Clubs, wo man mit seinem eigenen Icon mit anderen seine Zeit verbringen kann. In den besseren VR-Etablissements kann man Dinge erleben, die schon an den Level von BTLs grenzen, weshalb so ein Kamikaze-Cocktail den Konsumenten tatsächlich aus den Socken hauen und ihn - richtige Feedback-Programmierung vorausgesetzt - sogar mit einem Kater aufwachen lassen kann. Auch kann man die seidenweiche Haut der Person, mit der man tanzt, tatsächlich spüren. Einige Clubs schreiben auch ganz bewusst metamenschliche Gestalten für ihre Besucher vor, während man in anderen erscheinen kann, wie man will. Wenn also ein riesiger Marshmallow mit einem Neondrachen an der Bar sitzt, ist das nur normal.[6]

Beispiele für solche Clubs sind:

Werbung & Spam

Zu Guter Letzt muss man auch immerzu Werbung und Spam nennen, denn die Matrix kommt nicht ohne aus. Für die Konzerne ist die Erweiterte Realität ein Gottesgeschenk, denn es erlaubt ihnen, die potenziellen Konsumenten permanent mit Werbung zu bombardieren. Jedes Kommlink zeichnet zu allem Überfluss auch noch ständig die Kaufmuster seines Nutzers auf und schickt sämtliche Daten inklusive getätigter Suchen zurück an den Herstellerkonzern, der wie ein Drache über seinen Hort wacht. Es reicht schon vollkommen aus, durch ein Schaufenster auf Sportausrüstung zu blicken oder nach Skihütten im Pueblo Corporate Council zu suchen und plötzlich bekommt man Dutzende Angebote für Urlaubsreisen, Sonderangebote für Outdoor-Sportausrüstung und Winterbekleidung und sogar Angebote professioneller "Reisebegleiterinnen" auf das Kommlink. Durch die Analyse von Konsummuster, Einkaufsverhalten, und Vorlieben können Konzern maßgeschneiderte Werbung liefern, die speziell auf eine Person ausgerichtet ist, um sie zum Geldausgeben zu bewegen.[7]

Allerdings gibt es eine feine Grenze zwischen Werbung und Spam. Jeder mag das für sich selbst definieren, aber ab einem gewissen Punkt wird die personalisierte Werbung zu nichts anderem als Spam. Spamfilter, die von jedem größeren Kommlink-Betreiber, Software-Entwickler und Megakonzern angeboten wird, schaffen da durchaus Abhilfe. Problem ist aber, dass diese Dinger eine Zeitlang Spam von Konkurrenzunternehmen herausfiltern, aber die Werbung von Tochterunternehmen durchlassen. Sehr verbreitet sind SafeShield von Singularity und SPAMOUT! von Renraku, obwohl SafeShield dazu tendiert, das Kommlink komplett abzuschalten, wenn zu viel Spam auf das Kommlink einprasselt.[7]

Sinkende Distanzen

Die Matrix - und besonders die Einführung der WiFi-Matrix nach dem Crash von 2064 - führte dazu, dass das Konzept von Entfernungen zunehmend geschrumpft ist. Durch die Befähigung, mit einem einzigen Gedanken in der Virtuellen Welt von A nach B zu gelangen, hat das Konzept physischer Entfernungen aufgeweicht und für viele ist die virtuelle Welt so real wie die eigentlich reale Welt. Ein "Nachbar" ist üblicherweise jemand, der im bevorzugten sozialen Netzwerk nah ist und nicht derjenige, der auf dem gleichen Flur im Hochhaus wohnt. Top-News aus Hongkong, wie etwa beim Hongkong-Zwischenfall von 2070 können ebenso Angst und Panik in Seattle erzeugen, wie man es im selben Jahr im Rahmen der globalen Technomancer-Verfolgung erlebte. Auch ein bevorzugter virtueller Laden kann entweder am Ende der Straße liegen oder vielleicht auf einem ganz anderen Kontinent verortet sein, was aber nichts daran ändert, dass die bestellten Waren dennoch daheim ankommen. Auch kann der Arbeitgeber ein Bürogebäude besitzen, das man fußläufig in dreißig Minuten erreicht oder aber man loggt sich in ein virtuelles Büro ein, wo der Chef in England sitzt, die Sekretärin irgendwo in Kalkutta und der Kollege, mit dem man sich in der Kaffeepause gerne unterhält residiert vielleicht in New York. Auch in der Bildung sieht man dieses Phänomen; ein Professor eines College könnte etwa in Los Angeles wohnen, aber gleichzeitig virtuell in Madrid unterrichten.[8]

Würde man Leute auf den Straßen Seattles Fragen, wie weit Neo-Tokio entfernt ist, würde man wohl meistens "ungefähr 3 Sekunden" hören, was bereits zeigt, wie tief die Matrix und ihre Möglichkeiten in den Köpfen normaler Bürger verankert ist. Die meisten Kommlinks besitzen zudem automatische Zeitzonen-Anpasser, die mitteilen, wie spät es an dem Ort ist, wo man anruft, für den Fall, dass man das Konzept der Zeitzonen aus dem Blick verloren hat. Für viele Leute ist dieser kleine blinkende Indikator am oberen Rand ihres AR-Sichtbereiches der einzige Hinweis darauf, dass ihr bester Freund möglicherweise auf einem anderen Kontinent wohnt.[8]

Diese Entfernungsverringerung hat den Effekt, dass sich Leute für Dinge interessieren, mit denen sie vorher nie in Kontakt gekommen sind. Durch die konstante Ausstrahlung globaler Nachrichten durch die verschiedenen Medien können selbst entfernteste Bedrohungen ins heimische Wohnzimmer gelangen. Hört man in Seattle etwa vom "Orkschlächter", dann führt das auch in Städten auf anderen Kontinenten dazu, dass sich die Orks vor Ort vor den Schatten in Acht nehmen, als würde der Mörder vielleicht auf die Idee kommen, in den nächsten Flieger zu steigen und Städte irgendwo in Europa terrorisieren. Nachdem vor einiger Zeit rund zwanzig Kinder in New Orleans verschwanden, sah "KIDNetwork" einen Zuwachs besorgter Kunden auf der ganzen Welt, die ihre Kinder schützen wollten. Eine Geiselnahme in London kann Beobachter auf der ganzen Welt an die Newsfeeds fesseln, damit sie die neuesten Entwicklungen ja nicht verpassen - es gilt, dass das Schockierende und Skandalöse die Aufmerksamkeit weckt, nicht das Relevante.[8]

Ein weiterer Faktor ist die Vernetzungsdichte der Matrix, die es gleichgesinnten Individuen erlaubt, miteinander in Kontakt zu treten - und das in einer Art, wie sie vor Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wäre. Patienten mit seltenen Krankheiten können virtuell andere finden, die das gleiche Schicksal erleiden, um sich Ratschläge zu geben und Trost zu spenden. Schachturniere erlauben Spielern aus der ganzen Welt, mitzumachen. Naturschützer, die sich für das Dreifingerfaultier interessieren, halten virtuelle Konferenzen ab und organisieren virtuelle Sit-ins, um die örtlichen Behörden auf die Notlage hinzuweisen.[8]

Religionen

Auch religiöse und spirituelle Organisationen haben die Matrix für sich entdeckt - sofern sie nicht zu jenen gehören, die die Matrix grundsätzlich verdammen - um so die Gläubigen zusammenzubringen. Moslems auf der ganzen Welt können das Soziale Netzwerk Mecca-NET nutzen, um so virtuelle (oder AR-)Moscheen zu besuchen und ihre Gebetszeiten in Mekka zu synchronisieren. Katholiken wiederum haben im Versuch, das schwindende Interesse wiederzubeleben, die WiFi-Matrix mit offenen Armen willkommen geheißen und übertragen Live-AR-Sendungen aus dem Vatikan, gestatten AR-Beichten und -Absolutionen und veranstalten mitunter sogar ganz virtuelle Messen.[9]

Andere Religionen - oftmals radikaler - haben die Matrix zu einem Übel erklärt und müssen feststellen, dass ihre Anhänger zunehmend Probleme damit haben, sich in der modernen Welt zurechtzufinden. Unter diesen kann man die Tendenz beobachten, auf schwarzen Konzernlisten als potenzielle Terroristen zu erscheinen - dabei kann diese "Verdammung" durch die Konzerne aber auch nur ein einfaches Schwarz-Weiß-Denken sein, denn wenn man nicht für etwas ist, muss man ja automatisch dagegen sein. Allerdings gibt es auch einige Gruppen, die sich tatsächlich gegen die WiFi-Welt und ihre Omnipräsenz wehren konnten, ohne gleich als Terroristen eingestuft zu werden, wie etwa die Quäker (die Amischen sind ein Beispiel dafür) in den UCAS, bestehend aus einem Haufen Farmer, die so leben wie im 19. Jahrhundert und nach wie vor auf Pferden reiten und ihre eigene Nahrung anbauen. Diese erhielten von der UCAS-Regierung sogar eine Sondergenehmigung, außerhalb der Regeln leben zu dürfen.[10]

Auf der anderen Seite der Waage findet man neue Religionen (und Sekten), wie etwa die Virtuellen Puristen, die glauben, dass die Matrix der nächste Schritt der menschlichen Entwicklung sei. In dieser Welt kann man die Grenzen und Versuchungen fleischlichen Daseins hinter sich lassen und ein wahrhaft spirituelles Leben führen können, weshalb die Anhänger versuchen, in einem reinen VR-Zustand zu leben. Einige begehen sogar Selbstmord, während sie online sind in der Hoffnung, so den Körper abzulegen und rein digital zu werden. Für sie bedeutet dies, eine rein spirituelle Gestalt anzunehmen, Frei von den fleischlichen Begierden, von Zorn, Hunger, Durst oder dem Streben nach materiellem Besitz.[10]

Neue Sprachen

Die frühere Sprachbarriere, die die Welt so lange streng trennte, wurde im Zuge der Verfügbarkeit von Simultan-Übersetzungsprogrammen, universeller Ikonographie und der Entwicklung ikonographischer Sprachen zunehmend aufgeweicht. Unterhält man sich heute mit jemanden über eine AR- oder VR-Verbindung, kann man ein Interpretationsprogramm einsetzen, welches die Kommunikation unterstützt. Gemeinhin bekannt und als nützlich eingestuft sind Freie Anbieter wie etwa Babel-Tree, auch wenn es immer eine gewisse Zeitverzögerung zwischen Originaltext (den man in das Programm spricht) und der Übersetzung in die andere Sprache gibt. Babel-Tree basiert auf kontinuierlichem Benutzer-feedback und schafft es daher zumeist auch, dem aktuellen Slang zu folgen und Übersetzungen zu liefern, welche durch die tatsächliche Bedeutung einfängt und nicht nur die Syntax liefert. Konzerne hingegen verwenden oftmals professionelle Programme oder spezielle Agenten, die komplizierte Themen übersetzen können, wie etwa bei Konferenzen zwischen Wissenschaftlern, wo selbst ein einzig falsch gesetztes Wort ein ganzen Forschungsprojekt ruinieren könnte.[10]

Die meisten der öffentlich verfügbaren Newsfeeds werden in mehreren Sprachen ausgestrahlt, unabhängig vom Ursprungsland. Musik-, Sim- und Unterhaltungs-Downloads kann man praktisch in jeder beliebigen Sprache synchronisieren (sofern die Nachfrage vorhanden ist, versteht sich). Die allgemeine Verbreitung und Verfügbarkeit von Lernsims führte auch dazu, dass viele Leute in den 2070ern mehrere Sprachen beherrschen. Selbst persönliche Interaktion werden Simultan-Übersetzungen und Hilfs-Software vereinfacht. Babel-Tree bietet hier auch eine häufig benutzte Datenbank an, in der man unzählige Beispiele für Redewendungen, Wörter und Slang finden kann, die von den Muttersprachlern dann intoniert werden. Will man also etwa in einer Besprechung höflich sein, dann kann man Babel-Tree laufen lassen, die Redewendung mental aussprechen und sofort eine übersetzte Phrase dafür erhält.[11]

Allerdings sieht die Sache ganz anders aus, wenn es um die geschriebene Sprache geht. Die modernen Entwicklungen führten dazu, dass aufgrund der riesigen Informationsmengen auf auditiver, bildlicher oder ikonographischer Ebene die Fähigkeit zu lesen nicht länger erforderlich ist. Das Hauptaugenmerk der Bildung wurde daher von einer Steigerung der Alphabetisierung zu einer Schaffung standardisierter Ikonographischer Sprache verschoben. Das führte zu der Entwicklung einer modernen Form der Kommunikation, die sich aus Symbolen, Bildern, Geräuschen und einzelnen Wörtern zusammensetzt und die Matrixversion der Stadtsprache geworden ist; manch einer würde es auch als "Sprachbastard" betiteln, der online geboren wurde. Diese Sprache hat aber den Vorteil, leicht zu lernen, sehr intuitiv und sehr fließend zu sein. Sie stützt sich nicht auf die Standardisierung, sondern auf die kontinuierliche Evolution von Mensch-Matrix-Interaktion. Das hat den bedeutenden Vorteil, dass selbst Personen, die nicht permanent mit der Matrixsprache kommen, ohne nennenswerte Vorbild einfache Nachrichten in dieser Sprache verstehen können. Horizon war einer der Hauptmotoren hinter der Schaffung dieser neuen globalen Sprache und in AR-Werbungen konnte man bereits zu Beginn der 2070er feststellen, dass "Matrixisch" bei den jüngeren Bevölkerungsschichten sehr populär war.[12]

Shadowtalk Pfeil.png Willkommen in der Sechsten Welt, hier sind unsere Hieroglyphen - kein Stein von Rosette notwendig. Was vor über 80 Jahren noch unmöglich erschien, ist inzwischen Realität geworden. Aber das heißt nicht, dass es niemanden mehr gäbe, der schreiben kann - vielmehr ist auch dies eher ein Beispiel für die Unterschiede zwischen Arm und Reich, Gebildet und Ungebildet, geworden und zeigt leicht, wer zur Oberschicht gehört und wer nicht, auch wenn das kein alleinstehende Ausschlusskriterium ist.
Shadowtalk Pfeil.png Sparcs - Everything we hear is an opinion, not a fact.

Politische Transparenz

Ebenfalls eine Auswirkung auf globaler Ebene war die zunehmende Transparenz politischer Prozesse. Politiker sind befähigt, mittels AR direkt mit ihrer Zuhörerschaft zu reden, virtuelle Kundgebungen abzuhalten und Echtzeit-Umfragen zu starten, um so ihre Popularität einzuschätzen. Viele Staaten nutzen öffentliche Übertragungen und Parlamentsdebatten, in denen Bürger beobachten können, was in den wichtigen Gebäuden des Landes vorgeht, sowie die Möglichkeit, Live-Feedback zu den Regierungsvertretern abzugeben. Korruptionsanklagen gegen Politiker und Beamte nahmen im Rahmen des Sousveillance ebenfalls stark zu und es scheint, dass das Wissen, dass die Wähler beständig ihre Taten beobachten können, Politiker tatsächlich insgesamt ehrlicher wurden. Die meisten Politiker ermöglichen es ihren Wählern außerdem, direkt auf ein "Wähler-Netzwerk" zuzugreifen, wo es Umfrageergebnisse und Möglichkeiten für Feedback gibt.[12]

In den UCAS besitzen über 90 Prozent der Kongressabgeordneten einen Live-Zugang für ihre Wähler. Wird eine neue Gesetzesvorlage zur Abstimmung vorgelegt, wird der Text zusammen mit einer knappen Zusammenfassung ins Netz gestellt. Die interessierten Wähler können sich dann die Gesetzesvorlage durchlesen (oder anhören) und ihre Meinung (meistens in Ja- oder Nein-Form und gelegentlich auch inklusive kurzer Nachrichten) an ihren Abgeordneten übermitteln. Das System zeigt den Wählern auch eine Auswertung der Stimmabgaben dafür und dagegen, sowie den Prozentsatz der Bevölkerung, der sich beteiligt hat. Gibt der Abgeordnete schließlich seine Stimme ab, kann er das auf der Basis dessen tun, was das Volk tatsächlich möchte, statt sich so dem Willen einflussreicher Lobbyisten zu beugen.[12]

Allerdings heißt das nicht, dass Abgeordnete dies auch immer tun. Wenn 80% mit "Ja" stimmen und der Abgeordnete sich für "Nein" entscheidet, dann ist das in einigen Fällen, wie etwa Washington F.D.C. üblicherweise gleich im Netz. Und Abgeordnete, die gerne bestimmten Interessengruppen die Füße küssen, lernen bald, dass wenn sie zu oft gegen ihre Wählerbasis entscheiden, die Chance einer Wiederwahl rapide absinkt - oder schlimmer noch: Der Skandal führt dazu, dass sie vom Rest des Kongresses gemieden werden und der Fluss an Nuyen, der sie zuvor beeinflusste, trocknet aus.[12]

Die Wahlen werden - zumindest in den UCAS - mittels verschlüsselter Übertragungen eines individuellen Wahlzeitraumes abgehalten, was üblicherweise eine Woche bedeutet, in der die Bürger die virtuellen Wahllokale besuchen können. In anderen demokratischen Regierungssystemen findet man ähnliche Strukturen, auch wenn die Übertragung und Zählung der Stimmen einen anderen Zeitraum beanschlagt. Allgemein braucht man, um bei solchen Wahlen teilzunehmen, bzw. sich dafür registrieren zu lassen, eine SIN und eine bestätigte elektronische Adresse. Einige Länder, die sicherheitsbewusster sind als die UCAS, schicken ihren Wahlberechtigten auch biometrisch gekennzeichnete, verschlüsselte Stimmzettel. Der Wähler muss sich dann biometrisch legitimieren, wie etwa durch Daumenabdrücke oder Retinascans, bevor er dann den Zettel ausfüllen kann. In den UCAS nutzt man Stimmzettel mit einem Codierungssystem, das die Rücksendung über die kabellose Matrix ermöglicht. Wahlberechtigte müssen elektronisch unterschreiben, dass sie auch tatsächlich eigenhändig den Stimmzettel ausgefüllt haben.[12]

Auch wenn man glaubt, es sei leicht, so eine Wahl zu manipulieren, indem man die Kommlinks der Wähler hackt oder die WiFi-Übertragungen abfängt und danach entschlüsselt und nach eigener Vorstellung manipuliert, ist das System überraschend gut in der Funktion. Da die Stimmabgabe üblicherweise tröpfchenweise innerhalb der Woche passiert, müsste man abertausende Kommlinks hacken, um eine messbare Manipulation durchzuführen - hoffend, dass die Ergebnisse noch nicht abgegeben wurden oder aber versuchen, diese riesigen Datenmengen abzufangen, was in diesem Maßstab extrem schwierig wäre. Einfacher wäre es also, sich in ein Wahlbüro zu hacken, was aber spätestens seit den Ereignissen rund um den California Free State und der Gruppe Magestone lange nicht mehr so einfach ist und die UCAS bewegte, ihre Wahlbüros mit mehr Intrusion Countermeasures zu schützen als die britischen Kronjuwelen. Alles in allem wäre es vermutlich einfacher und billiger, PR-Firmen wie Charisma Associates damit zu beauftragen, das Volk zu beeinflussen.[12]


Siehe auch

Endnoten

Quellenangabe

  1. a b Vernetzt S.14
  2. Vernetzt S.14-15
  3. a b c d e f Vernetzt S.15
  4. Vernetzt S.15-16
  5. a b c d Vernetzt S.16
  6. a b c d Vernetzt S.17
  7. a b Vernetzt S.18
  8. a b c d Vernetzt S.29
  9. Vernetzt S.29-30
  10. a b c Vernetzt S.30
  11. Vernetzt S.30-31
  12. a b c d e f Vernetzt S.31

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