Rheinischer Karneval
Der Rheinische Karneval ist eins der bekanntesten Kulturgüter des Rheinlands, auf den die Rheinländer, insbesondere Düsseldorfer und Kölner, nichts kommen lassen.[1] Der Rheinische Karneval ist die größte Party Europas und eine Woche besoffener Ausnahmezustand im Rhein-Ruhr-Megaplex.[2]
Ablauf
Auch wenn die Karnevalssession am 11.11. des Vorjahres beginnt, ist die sogenannte Karnevalswoche die Hochzeit des närrischen Treibens.[2]
Statistisch fallen in diesen Zeitraum auch die häufigsten Krankmeldungen im Jahr. Daran haben auch die Megakonzerne nichts ändern können. Schließlich ist sowieso niemand anwesend, um die Krankmeldung in Empfang zu nehmen (oder den Mitarbeiter dafür zu bestrafen). Und außer dadurch, das ganze Ruhrgebiet zu entlassen, haben die Konzerne dagegen wenig Handhabe. Also haben sie sich mit dieser Sitte arrangiert - und wissen sie zum größtmöglichen Vorteil zu nutzen.[3]
Sitzungskarneval
Die Zeit zwischen 11.11. und Weiberfastnacht ist die Zeit des Sitzungskarnevals. [3] Schon vor der eigentlichen karnevalistischen Hochzeit, ab dem 11.11. des vorangehenden Jahres, finden im gesamten Rheinland die großen Festsitzungen statt. Während sich in den Festräumen der kleineren Gemeinden oder in der städtischen Feuerwehrhalle die bodenständigen Karnevalsvereinigungen treffen, schunkeln in den großen Sälen bereits die Manager der Mittel- und Oberschicht und johlen zu "humoristischen" Büttenreden. Hier darf man offiziell mal so richtig vom Leder ziehen, und das geschieht auch.[2]
In den meist völlig überfüllten Hallen werden üblicherweise Bierzeltgarnituren so eng gestellt, dass man dazwischen kaum entlang gehen kann. Pro Bierbank sitzen in der Regel 5 bis 6 Menschen, lassen sich überteuertes Bier reichen und zahlen 10 Euro oder mehr für ein Käsebrötchen.[3]
Straßenkarneval
Die "Tollen Tage" des Straßenkarnevals beginnen in der Woche vor Aschermittwoch an Weiberfastnacht. Das ist der Donnerstag vor Aschermittwoch. Diese Woche wird als Straßenkarneval bezeichnet. Zu dieser Zeit ziehen die berühmt-berüchtigten Umzüge aus Kapellen, Funkenmariechen und Betrunkenen, die Karnevalshymnen und -Hits gröhlen und alle Drogen und Alkoholika, derer sie habhaft werden können, konsumieren, durch die Straßen des Rheinlands.[2]
Weiberfastnacht
Die bekannteste Tradition ist das rituelle Abschneiden von Schlipsen in der Düsseldorfer Altstadt (und sexualisierte Übergriffe von Frauen auf Männer), vor denen - humorisitsch - niemand sicher ist. Die Manie geht so weit, dass auf eine von den japanischen Konzernen kreierte Schlips-AR-App von karnevalesken Hackern ein AR-Schlips-Cutter entworfen wurde, der die App (und die AR-Krawatte) hackt.[2]
Zeitgleich beginnt der Straßenkarnevall, und mit ihm steigt die Zahl der Schnapsleichen, Drogentoten und Chip-Ausraster exponentiell.[2]
Rosenmontag
Anders als bei den Exzessen, Gelagen und Randalen des Karnevalswochenendes wird am Rosenmontag bei den großen Umzügen in Köln und Düsseldorf auf Tradition und Deutschtum gemacht. Ganz traditionell, fast ohne AR, kommen die Rosenmontagsparaden in beiden Städten aus, und die Veranstalter sind stolz darauf, diese Tradition nicht mit moderner Technik verfremdet zu haben. Vor allem Kölner sehen die japanischen Einflüsse der Düsseldorfer allerdings sehr kritisch und geradezu feindselig.[2]
Aschermittwoch
Zu Aschermittwoch endet die Karnevalszeit. Der Rhein-Ruhr-Megaplex beruhigt sich langsam wieder, vor allem das Rheinland. Man kuriert seinen Kater mit neuesten pharmazeutischen Präparaten, die der hauseigene Konzern zur Leistungswiederherstellung nach den närrischen Tagen umsonst an seine Mitarbeiter austeilt, und kommt langsam wieder in den Alltagstrott. Bis zum nächsten Jahr.[2]
Karnevalstraditionen
Auch wenn jede Stadt ihre eigenen Traditionen hat, wird es in der kommenden Betrachtung um den Rheinischen Karneval insgesamt gehen, der in jederlei Hinsicht eine ganz besondere ... Qualität besitzt, und viele Gemeinsamkeiten.[4]
Die Städte Köln und Düsseldorf nutzen den Karneval auch, um ihre Rivalität, die seit der Schlacht um Worringen besteht, zu pflegen.[5]
Karnevalspolitik
Auch für die omnipräsenten Karnevalsvereine ist das närrische Treiben mitunter blutiger Ernst - ganz speziell dann, wenn es um Würdenträger wie das Kölner Dreigestirn und andere Würdenträger sowie deren Sitzordnungen geht.[4] Hierüber befindet das Festkommittee.[6]
Rosenmontagszug-Mottos der 2080er |
19.02.2080: Zokunf wor jestern[6] |
Die Vorbereitungen für den Karneval beginnen weit vor der eigentlichen Sitzungs- und Karnevalszeit. Sie stellen im Rheinland ein echtes Politikum dar. Insbesondere bei der Wahl des Kölner Dreigestirns als offizielle Regenten des närrischen Volkes sind die Rivalitäten der Kandidaten und das Gemauschele zwischen den Karnevalsvereinen des Festkomitees Kölner Karneval dabei mitunter so ernst, dass sogar Runner zum Einsatz kommen. Das harmloseste, was dieses Kommittee beschließt, sind die weit im voraus beschlossenen Rosenmontagszug-Mottos. Teil des Dreigestirns aus Prinz, Bauer und Jungfrau zu sein ist nicht nur eine Frage persönlicher Eitelkeit, sondern ein veritabler PR-Schub für eigene Ambitionen - und mit realen wirtschaftlichen Vorteilen die Gekürten und ihre Arbeitgeber verbunden. Von den Möglichkeiten, auf über 500 Veranstaltungen der Session vertrauliche Absprachen mit jecken Execs zu treffen, ganz zu schweigen.[6]
Karnevalsumzüge
Generell gibt es in allen Gebieten, in denen Karneval gefeiert wird, irgendwann auch einen Umzug. Entweder am Rosenmontag oder (in Gegenden, die kein Verständnis dafür haben, dass die ganze Innenstadt den kompletten Tag gesperrt ist) auch am Sonntag davor.[7]
Bei einem typisch rheinischen Umzug wälzt sich ein deutlich über 9 km langer Zug von Abordnungen der Karnevalsvereine mit Prunkwagen, Kapellen, Tanzgruppierungen und oft auch sogenannten Motivwagen durch die Innenstadt. Links und rechts mindestens fünf Reihen verkleideter Jecken, je nach Tageszeit mehr oder minder angetrunken, denn Alkohol vertreibt die Kälte und wer den ganzen Tag in seinem figurbetonten Outfit am Zugweg steht, dem wird es sehr kalt (schließlich ist es Mitte bis Ende Februar).[7] Den Zug begleiten tun unzählige Jecken - normale Bürger, Lohnsklaven wie Nationalstaatler und sogar SINlose. Sie sind üblicherweise verkleidet, meist in den typischen Kostümen. Neben Evergreens wie Cowboy- und Indianergewandung, Prinzessin und Prinz,[8] Piraten und Flamencotänzerinnen[9] gibt es auch modernere Kostüme, insbesondere Drachenmasken und Karl Kombatmage-Franchise-Charaktere sind enorm beliebt.[8]
Die Mottowagen bei den Umzügen sind in aller Regel von Konzernen gesponsort, traditionell aber obrigkeitskritisch oder -verspottend. Entsprechend geben sich die meisten Konzerne, die einen solchen wagen sponsoren, Mühe, einen selbstironischen Ansatz zu wählen, und im Zweifel lieber mal etwas freches durchgehen zu lassen, als schlechte PR dafür zu kassieren, dass sie nicht frohsinnig genug für das Rheinland sind.[10]
Es gehört zum guten Ton, dass zumindest die Erwachsenen Jecken schon betrunken zum Karnevalsumzug erscheinen.[8] Wer lieber nüchtern bleiben möchte, kann jeden modischen Fauxpas begehen und beliebige Schichten Kleidung unter sein Kostüm ziehen. Der Zug schiebt sich langsam den 7 km langen Weg entlang, so dass die ersten Gruppen schon angekommen sind, wenn die letzten loslaufen. Der Umzug selber dauert etwas über 7 Stunden, das bedeutet etwa 2 km/h oder 33,3 m/min Geschwindigkeit. Also so langsam, dass man jeden Wagen problemlos zu Fuß erreichen kann.[7]
Karnevalsmusik
Der Rheinische Karneval wird jedes Jahr erneut durch Remixe derselben alten Schlager, die seit über 100 Jahren besoffen gegrölt werden, begleitet[11] - Evergreens wie "Mer Lasse Den Dom In Kölle"[9] und "Dem Scheel sin Ding issem Tönnes sin Trompät".[12] Dies ist eine der wenigen Zeiten, in der die Rheinländer ihre ethnischen, geographischen und historischen Rivalitäten überwinden und gemeinsam dem "Frohsinn" fröhnen.[11]
Kneipenkarneval
Zwischen Gründonnerstag und Aschermittwoch sind Bars und Trinkhallen im Rhein-Ruhr-Megaplex durchgängig voll ausgelastet. Man bekommt überhaupt nur dann einen Platz, wenn jemand geht. Tabletts mit Getränken werden durch den Raum gereicht und automatisch abgerechnet. Wer es nimmt, bezahlt es. Es ist daher sehr einfach, jemandem hier etwas in den Drink zu mischen, und wahrscheinlich wird es keiner mitbekommen, dass dort jemand in ihrer Mitte ohnmächtig geworden ist.[3]
Der Karneval ist im Rheinland, insbesondere in Köln, auch in der Homosexuellenszene ein sehr wichtiger sozialer Event und das wirtschaftliche Standbein vieler Schwulenbars, in die sich jetzt auch die wagen, die sonst viel zu katholisch-verklemmt dafür sind.[10]
Krimineller Karneval
Das ist ein Fest für Taschendiebe und alle Arten von übergriffigen Manipulierern.[7] Sexuelle Übergriffe sind trauriger Alltag, worüber aber typisch rheinländisch hinweggesehen wird.[4] Es ist etwa nicht unüblich, wenn Gruppen Betrunkener eine einzelne Frau antanzen und etwas mehr an Gefälligkeiten einfordern als das Bützen. Auch Grabschen und andere, minder schwere Formen der Belästigung sind akzeptierter Karnevelsalltag.[13] Ist halt Karneval, und solche Vorfälle sind vorher schon gesellschaftlich eingepreist. Die Polizei versucht meist, irgendwie zu klären, was passiert ist, aber auch deren Enthusiasmus ist in den Tollen Tagen sehr gedämpft.[4]
Wirtschaftlicher Karneval
Im Rheinland ist die Zeit des Frohsinns mit ihren ganzen Veranstaltungen ein echter Wirtschaftsfaktor.[14] Für Veranstalter und Gastwirte stellt der lokale Karneval oft einen wesentlichen Teil des Jahresumsatzes dar. Entsprechend sind Verträge, etwa als offizielle Biermarke oder Sponsor bestimmter Locations, Feste und Umzüge, heiß umkämpft, auch mit härteren Bandagen bis hin zu Arbeit für die Schatten.[4]
Megakonzerne sind in den Rheinischen Karneval eng eingebunden. Jeder Konzern, der etwas auf sich hält, sponsort einen der Mottowagen der großen Umzüge, zudem ist ein solcher Umzug eine Goldgrube für Werbeaktionen und Selbstdarstellung aller Art.[6] Konzernwagen mit perfekt gestylter Paradegruppe und Medienteam ziehen immer die Blicke auf sich. Und auch musikalisch wird der Karneval kolonisiert: der neueste Karnevalshit, der ohrenbetäubend aus hundert Lautsprechern plärrt, ist natürlich ein Konzernprodukt.[4]
Sony nutzte den Rosenmontagszug in Köln 2080 erstmalig, um große Formationen seiner Sony Versatile-Drohnen als Kamellewerfer auftreten zu lassen:[6] Seine Robot-Kamellewerfer decken Umzüge oft erschreckend effektiv mit Kamelle ein.[4] Ares ist über seine Sicherheitskonzerne Hard Corps, Knight Errant und Wolverine Security gerne gebuchter Sicherheitsprovider bei Karnevalsveranstaltungen im Pott.[15]
Durch Sponsoren, Veranstalter und auch kleinere Akteure und Guerilla-Marketing verwandeln sich die Umgebungen von Karnevalsumzügen verlässlich in starke Spam-Zonen.[4]
Sozialer Karneval
In der Hochsaison herrscht völliges Chaos in den Städten des Rhein-Ruhr-Megaplexes. Nichts bewegt sich mehr, abgesehen von den ausgelassenen und verkleideten Massen. Büros stehen leer, der Objektschutz säuft und schunkelt zu den neuesten Gassenhauern, und selbst die Japaner in Düsseldorf schneiden sich gegenseitig die Schlipse ab und stürzen sich in den Wahnsinn. Das Gesetz des Karnevals verlangt nach Chaos. Bei allen. Mit allen.[14]
Der Rheinische Karneval ist sogar ein Forschungsobjekt: an der Neuen Ruhr-Universität gibt es ein großes thaumaturgisches Forschungsprojekt zum Thema Karneval und Manipulationsmagie.[16]
Außerdem ist zu bedenken, dass die Anwesenheit bei festlichen Anlässen im Rheinland eine gesellschaftliche Pflicht darstellt. Da kann es gut sein, dass auch ein extrem behüteter Konzernbürger, der die extrem gesicherte Konzernenklave den Rest des Jahres nie verlässt, einmal im Jahr in der Öffentlichkeit (oder der zumindest weniger extrem gesicherten Vereinssitzung) erscheint.[4]
Karneval und Ressentiments
Grundsätzlich muss man sagen, dass im rheinischen Karneval mit seinem Vereinswesen die erzkonservativen Spießbürgern den Ton angeben. Und das merkt man auf jeder Ebene.[3] Die wenigsten Jecken haben irgendein Interesse an Veränderung. Ob AR, fremdländische Einflüsse auf Kostüme oder Magie - jede Neuerung ist suspekt und wird wüst bekämpft.[7]
Karneval bedeutet Enthemmung, und das ist nicht immer von Vorteil. Die traditionellen Büttenreden überschreiten oft (bewusst) Grenzen und schweifen gerne in Rassismus und Minderheitenfeindlichkeit ab. Jeder Japanokon als auch der goldene Nachbardrache und sein Konzern sind sehr beliebte Ziele,[2] aber auch Ausländer, die Kirche, Nichtchristen und andere Randgruppen. Speziell auf Metamenschen hatte man sich in vielen Karnevalsvereinen eingeschossen, was sich aber im Verlauf der 2060er und 2070er deutlich verbessert hat.[17] Anti-Japanische Vorurteile sind mit steigender japanischer Präsenz im Rhein-Ruhr-Megaplex allerdings stark im Kommen, und wer sich in japanisiertem Stil, gar mit AR-Elementen und einem Manga-style-Kostüm zeigt, kann sich der Verachtung (und Übergriffen) der traditionalistischen Jecken sicher sein.[2]
Aber auch ganz praktisch gibt es Diskriminierungen. Trolle zahlen doppelten Eintritt zu Veranstaltungen des Sitzungskarnevals, weil sie doppelt Platz brauchen.[3] Und wenn genug Bier (und Drogen und Chips) geflossen ist, kommt es fast unweigerlich zu Übergriffen, die schnell in wüste Schlägereien ausarten, wenn die Angegriffenen ihrerseits ihre Freunde zur Hilfe rufen.[4]
Schatten
Die Schatten haben den Karneval ebenfalls für sich entdeckt. Denn während des Karnevals sind die Straßen mit kostümierten Personen verstopft, die Büros leer und der Objektschutz schunkelt besoffen zu Gassenhauern, sodass man sogar richtig Lärm machen kann. Auch ist es möglich, vollbewaffnet durch die Straßen zu rennen, wenn man sich als Manga-Star verkleidet und die eigene Wumme anpinselt, wobei die Regel "je auffälliger desto unauffälliger" gilt. Alle Konzerne wissen, dass dies eine gefährliche Zeit ist, doch wirklich etwas dagegen ausrichten können sie nicht, denn Karneval bedeutet einfach Chaos. Ein weiterer Faktor sind die sogenannten "Aufräum-Runs" nach Aschermittwoch. Dabei gilt es dann herauszufinden, mit welchem Betthäschen der Teenagersohn des japanischen Vorstandes ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte und wo das Kommlink mit Geheimdaten verschwunden ist.[14]
Endnoten
Quellenangabe
- ↑ Rhein-Ruhr-Megaplex S. 44
- ↑ a b c d e f g h i j Rhein-Ruhr-Megaplex S. 59
- ↑ a b c d e f Schattenload 2019/3 S. 1
- ↑ a b c d e f g h i j Schattenload 2019/3 S. 4
- ↑ Rhein-Ruhr-Megaplex S. 31
- ↑ a b c d e f g h i j Schattenload 2019/3 S. 3
- ↑ a b c d e Schattenload 2019/3 S. 2
- ↑ a b c Altes Eisen S. 389
- ↑ a b Altes Eisen S. 399
- ↑ a b Altes Eisen S. 394
- ↑ a b Rhein-Ruhr-Megaplex S. 56
- ↑ Altes Eisen S. 402
- ↑ Altes Eisen S. 403
- ↑ a b c Datapuls: ADL S. 132
- ↑ Rhein-Ruhr-Megaplex S. 89
- ↑ Datapuls: ADL S. 61
- ↑ Rhein-Ruhr-Megaplex S. 49
Index
Quellenbücher
- M Datapuls: ADL, 61, 132
- M Rhein-Ruhr-Megaplex, 31, 44, 49, 56, 59, 89
Romane
- M Altes Eisen, 389, 394, 399, 402, 403
Sonstiges
- M Schattenload 2019/3, 1, 2, 3, 4
Weblinks